Die Ukraine – eine Beurteilung der wirtschaftlichen Gegebenheiten inklusive Ablauf wirtschaftlicher Transaktionen in der Praxis
Ratgeber für den Handel mit der Ukraine in der Praxis
Auch nach Kriegsbeginn kommt die ukrainische Wirtschaft nicht vollständig zum Erliegen. Handel und Transport finden nach wie vor statt, wenn auch eingeschränkt und teils auf anderen Wegen, umfassende Kenntnisse der tagesaktuellen Umstände sind entscheidend.
Für die Beurteilung der Gegebenheiten ist auch ein Blick auf die jüngere Geschichte des Landes vor Kriegsbeginn relevant, da die daraus resultierenden Abkommen nach wie vor die Basis für die wirtschaftliche Zusammenarbeit bilden:
1991 hat sich die Ukraine von der Sowjetunion gelöst und wurde unabhängig. Vor allem der Maschinenbau und die Rüstungsindustrie haben anfangs durch die Trennung von den übrigen Sowjetrepubliken massiv gelitten.
Das Land war seit seiner Unabhängigkeit auf der Suche nach einer klaren Orientierung zwischen dem Osten und dem Westen. So war die Annäherung an die EU von Gegenströmungen begleitet. Seit 2014 herrschten im Osten des Landes bürgerkriegsähnliche Zustände und ein Teil der Ukraine wurde von Russland annektiert.
Diese politischen Turbolenzen haben dem Land auch wirtschaftlich massiv geschadet. Der Wegfall der Schwerindustrie im Osten der Ukraine im Gebiet Donezk/Lugansk durch die genannten Ereignisse 2014 hat die Situation weiter verschlechtert, das Land konnte sich seit der Unabhängigkeit wirtschaftlich nie richtig erholen.
Trotz all dieser Probleme bot die Ukraine mit fast 50 Mio. Einwohnern ein großes Potential als Absatzmarkt und wirtschaftlicher Partner. Eine gut ausgebildete Bevölkerung, natürliche Ressourcen, fruchtbares Agrarland, Öl-, Gas- und Kohlevorkommen, laufende Wirtschaftsreformen und die Nähe zur EU machten die Ukraine zu einem interessanten Markt.
Das Assoziierungsabkommen zwischen der Ukraine und der Europäischen Union
Seit 2014 und 2016 ist der politische bzw. der wirtschaftliche Teil des Assoziierungsabkommens zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Ukraine andererseits in Kraft, mit dem Ziel den Handel mit der Ukraine zu erleichtern. Nichtsdestotrotz waren auch danach Korruption und Bürokratie beim Zoll und im Außenhandel immer noch eine Herausforderung, die den bilateralen Handel deutlich verkomplizierten.
Die Geschichte des Abkommens ist turbulent. So wurde das fertig ausgehandelte Abkommen im Jahr 2013 von der Regierung Wiktor Janukowytschs nicht unterzeichnet und per Dekret ausgesetzt. Julija Tymoschenko versuchte vergeblich die Regierung umzustimmen. Die Aussetzung des Abkommen war mit ein Auslöser für die Proteste, die letztendlich zum Sturz der Regierung führten.
Zu Spannungen kam es, da Russland und die ehemaligen Sowjetrepubliken die wichtigsten Handelspartner waren und das Abkommen mit seiner klaren Orientierung Richtung Westen in Moskau auf Ablehnung stieß.
Inhalt des Abkommens ist“…die Voraussetzungen für intensivere Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zu schaffen, die zur schrittweisen Integration der Ukraine in den Binnenmarkt der EU führen, unter anderem durch die in Titel IV (Handel und Handelsfragen) vorgesehene Errichtung einer vertieften und umfassenden Freihandelszone, und die Anstrengungen der Ukraine zu unterstützen, den Übergang zu einer funktionierenden Marktwirtschaft unter anderem durch die schrittweise Annäherung ihrer Rechtsvorschriften an die der Union zu vollenden.” 1
Im Zentrum des wirtschaftlichen Teils des Assoziierungsabkommens steht ein umfassendes Freihandelsabkommen (DCFTA). Die wichtigsten Vorteile für europäische Unternehmen sind folgende:
- Niedrigere/ keine Importzölle: Die Zölle wurden auf beiden Seiten für die meisten Produkte reduziert oder eliminiert. Dies bedeutet für EU-Unternehmen Einsparungen von mehreren Millionen Euro, besonders in den exportstarken Bereichen Maschinen und Transportausrüstung, Chemikalien und Fertigwaren.
- Leichter Zugang für Dienstleistungen zum ukrainischen Markt
- Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen
- Fairer Wettbewerb
- Vereinheitlichung von Vorschriften
- Transparente Voraussetzungen
- Investitionsschutz
Wie funktioniert ein Präferenzabkommen?
Die Zollverwaltungen der EU und der Ukraine gewähren beim Import ins jeweilige andere Zollgebiet Zollvergünstigungen, sofern einer der folgenden Nachweise erbracht wird:
- Warenverkehrsbescheinigung EUR.1, die von der Zollverwaltung des Exportlandes bestätigt und abgestempelt wird.
- Erklärung des Ausführers auf den Handelspapieren (Rechnung, Lieferschein, etc.) in denen die Ware auch genau beschrieben ist. Bis zu einem Warenwert von 6.000,- € darf diese Erklärung jeder Wirtschaftsbeteiligte abgeben. Für Warenwerte über 6.000,- je Sendung benötigt der Erklärer die Bewilligung zum “Ermächtigten Ausführer”, die von der Zollverwaltung vergeben wird. Ohne dieser Bewilligung bleibt also für Warensendungen über 6.000,- nur die Möglichkeit der Warenverkehrsbescheinigung EUR.1.
Der Wortlaut der Erklärung auf dem Handelspapier ist im Abkommen festgelegt (deutsche Fassung):
„Der Ausführer (Ermächtigter Ausführer; Bewilligungs-Nr. … (1)) der Waren, auf die sich dieses Handelspapier bezieht, erklärt, dass diese Waren, soweit nicht anders angegeben, präferenzbegünstigte … (2) Ursprungswaren sind.“
Eine der oben erläuterten Erklärungen darf nur abgegeben werden, wenn die Ware auch tatsächlich den erklärten Ursprung besitzt. Die genauen Regeln wie der Ursprung der Ware festgestellt wird, befinden sich ebenfalls im Assoziierungsabkommen im Anhang II (S 2019 ff).
Der Ablauf in der Praxis
Wir werden in der Folge alle wichtigen Stationen einer Lieferung aus der EU in die Ukraine beleuchten. Bitte beachten Sie, dass Sie im Rahmen eines Verkaufs in die Ukraine nicht automatisch für alle Handlungen, die unterwegs durchzuführen sind, verantwortlich sind. Die Verantwortungen sind von den Regelungen im Kauf- oder Liefervertrag abhängig und werden sehr oft über die Incoterms festgelegt. Es ist aber durchaus wichtig, dass Sie als Exporteur alle notwendigen Handlungen verstehen und kennen. Das erleichtert für Sie und für Ihren ukrainischen Geschäftspartner die Abwicklung enorm.
Die Exportverzollung
Die Ukraine ist ein sogenanntes Drittland. Das heißt, Sie müssen Gemeinschaftswaren in der EU zur Ausfuhr anmelden, sprich eine Ausfuhrverzollung durchführen. Die Ausfuhrverzollung, auch Exportverzollung, wird bei der Ausfuhrzollstelle durchgeführt. Das ist in der Regel die Zollstelle am Sitz des Ausführers oder Verladers. Genaue Regeln finden sich in de UZK-IA2
Neben den allgemein gültigen Exportbeschränkungen gelten einige Sanktionsbestimmungen für die Ukraine. Eine kurze Zusammenfassung der Sanktionen, die auch die Ukraine betreffen, finden Sie im Kasten.
Falls eine Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 erstellt werden muss, um dem ukrainischen Importeur die Präferenzzölle zu ermöglichen, muss diese im Zuge der Exportverzollung vom EU-Zoll abgestempelt werden.
Nach der Exportverzollung kann der LKW mit dem sogenannten Exportbegleitpapier bis zur EU-Außengrenze fahren. Die wichtigsten Grenzübergänge zwischen der EU und der Ukraine mit den dazugehörenden Zollstellen Nummern sind:
- Ungarn: Zahony HU724000 /Cop
- Slowakei: Vysné Nemecké SK532100 / Uzhgorod
- Polen: Hrebenne (PL303020) / Rava-Ruska
- Dorohusk (PL302060 / Yagodin
- Medyka (PL401030) / Sheginy
An der EU-Außengrenze wir das zollrechtliche Ausfuhrverfahren beendet und die Ausgangszollstelle bestätigt den Austritt der Ware elektronisch im E-Zoll-System.
Die PP- und die PD-Nummer
Eine Besonderheit bei Lieferungen in die Ukraine ist die sogenannte PP-/PD-Nummer. Der ukrainische Empfänger der Ware muss die Sendung beim Zoll vor dem Eintreffen vordeklarieren, in bestimmten Fällen sogar die Eingangsabgaben (Zoll und Einfuhrumsatzsteuer) vorab entrichten. Die PP-Nummer ist die Nummer der Vordeklaration, die Vorabverzollung mit der Bezahlung der Eingangsabgaben bekommt eine PD-Nummer. Die entsprechende Nummer muss dem Grenzzollamt bereits beim Verbringen der Waren über die ukrainische Außengrenze mitgeteilt werden. Sie muss also schon bekannt sein bevor der LKW in die Ukraine einreisen kann. Ob eine PP-Nummer oder eine PD-Nummer notwendig ist, regelt der ukrainische Zollkodex. Anstelle eine Vorabentrichtung der Eingangsabgaben oder einer Garantie des Käufers kann auch ein TIR Carnet als Sicherungsinstrument bei PD-pflichtigen Waren herangezogen werden. Aus diesem Grund spielt das TIR Carnet bei Ukraine-Transporten immer noch eine wichtige Rolle. Ob ein LKW mit TIR Carnet notwendig ist, sollte vorab mit dem ukrainischen Importeur abgeklärt werden.
Die Voranmeldung (PP) oder Vorverzollung (PD) wird vom ukrainischen Importeur beim zuständigen Binnenzollamt eingebracht. Daraufhin erhält der Importeur die PP- oder PD-Nummer von der Zollbehörde. Da der LKW-Fahrer die Nummer zum Grenzübertritt benötiget muss sie dem Fahrer mitgeteilt werden. Bei der Lieferkondition CPT, DAP, etc. kann der Vorgang z.B. wie folgt aussehen:
- Der ukrainische Käufer reicht die Voranmeldung beim Binnenzollamt ein.
- Die PP-/PD-Nummer wird erstellt und dem ukrainischen Käufer mitgeteilt.
- Der Käufer teilt dem Verkäufer die PP-/PD-Nummer mit.
- Dieser leitet die Nummer an den Frachtführer, Spediteur oder Fahrer weiter.
Der Fahrer meldet sich beim Außengrenzzollamt mit der Nummer. Der Zoll überprüft die Nummer und händigt dem Fahrer ein entsprechendes Begleitdokument aus. Dieses PP-/PD-Begleitdokument begleitet die Ware bis zum Binnenzollamt, wo die eigentliche Importverzollung stattfindet.
Damit dieser Prozess in der Praxis reibungslos funktioniert, ist eine gut Kommunikation zwischen Verkäufer, Käufer und Spediteur notwendig. So benötigt der Käufer bzw. Importeur die notwendigen Informationen über die Ware und die warenbegleitenden Dokumente um überhaupt die PP-/PD-Nummer zu beantragen. Diese stehen aber oft erst unmittelbar vor oder nach der Beladung zu Verfügung. Der Spediteur oder Frachtführer benötigt wiederum die PP-/PD-Nummer, um überhaupt in die Ukraine einreisen zu können.
Allgemeine Ankunftserklärung – ZDP
Seite Ende 2020 ist zusätzlich eine sogenannte ZDP oder „Allgemeine Ankunftsanzeige“ notwendig. Es handelt sich dabei um eine Meldung des „Beförderers“, also des Spediteurs oder Frachtführers. Dieser muss vor dem Eintreffen der Waren eine elektronische Vorabmeldung im elektronischen Zollsystem durchführen. Diese Meldung enthält die wichtigsten Sicherheitsdaten über die Ware, den Absender, den Empfänger und den Beförderer. Nach der Anmeldung wird eine ZDP Registernummer (z.B. 20UA141000024544Z0), ähnlich der uns vertrauten CRM-Nummer, generiert. Dieses System dient der Risikoanalyse und ist in ähnlicher Form in anderen Zollgebieten schon lange unter dem Begriff ICS (Import Control System) bekannt. Da die Meldung vom Beförderer oder dessen Zollvertreter abgegeben wird, sind Verkäufer und Käufer von diesem Vorgang nur selten betroffen, bzw. werden nur selten involviert.
Ukrainische Importverzollung
In den Prozess der ukrainischen Importverzollung sind die europäischen Partner in der Regel nicht involviert. Es gibt aber natürlich Ausnahmen, z.B. bei Musterimporten, Garantienachlieferungen, Turnkey Projekten, Messesendungen oder Lieferkondition DDP.
Der Importvorgang ist trotz Reformbemühungen noch sehr bürokratisch und korruptionsanfällig. Erschwerend kommt hinzu, dass neben den Zoll-, Konformitäts-, Gesundheits-, Pflanzen-, Umweltschutzbestimmungen auch noch Devisenbestimmungen stark in den Verzollungsprozess hineinspielen.
In der Regel wird der Importeur oder Käufer von einem Zollvertreter (Deklarant oder „Broker“) vertreten. Der Anmelder muss sich bei der ukrainischen Zollverwaltung (meist elektronisch) registrieren.
Bei der Import-Verzollung sind vorzulegen:
- Handelsrechnung
- Frachtbrief (CMR, AWB,..)
- Ev. Packliste
- Versanddokumente (Ausdruck PP-/PD-Nummer vom Aussengrenzzollstelle), ev. TIR Carnet
- Ev. Konformitätsnachweise (Zertifikate oder Deklaration)
- Lizenzen und Genehmigungen
- Ursprungsnachweise (Erklärung auf der Rechnung, EUR.1, aber auch nichtpräferenzielle, wie das Ursprungszeugnis)
- Deklaration des Zollwarenwertes
- Bescheinigung über Devisenmittel
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Neben den Zöllen werden bei der Importverzollung auch eventuell anfallende Akzisen bzw. Verbrauchsabgaben, aber vor allem die Einfuhrumsatzsteuer mit einem Regelsatz von 20% eingehoben. Entgegen den oft anderslautenden Beteuerungen der ukrainischen Partner ist die Einfuhrumsatzsteuer in der Regel für ukrainische Unternehmen vorsteuerabzugsberechtigt.
Bei der Verzollung wird eine Vielzahl von nicht tarifären Verboten und Beschränkungen überwacht. Eine Erläuterung der einzelnen Regeln würde den Rahmen des Artikels sprengen. Es sollte aber dem EU-Geschäftspartner bewusst sein, dass der ukrainische Importeur teilweise mit hohen bürokratischen Hürden zu kämpfen hat und deshalb während des Verzollungsprozesses oft zusätzliche Informationen anfordern muss, wie z.B. Beschreibungen zum Nachweis der Tarifierung oder Preislisten zur Zollwertfeststellung.
Bei Fragen zu Ihren Ukraine-Exporten wenden Sie sich gerne jederzeit an unsere Experten. Wir führen Hilfslieferungen ohne eigenen Profit durch und planen diese und alle anderen Lieferungen detailliert für Sie und erledigen ebenfalls die Exportverzollung für Ihre Ware.